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Castro - Graphic Novel / Comic
von Reinhard Kleist, mit einem Vorwort von Volker Skierka
280 Seiten, Hardcover, farbig, Deutschland: € 16,90 / Oesterreich: € 17,40 / Schweiz: sFr 30,90, Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2010, Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-78965-5
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Marta Feuchtwanger Copyright Volker Skierka
Ein Don Quijote gegen Dummheit und Gewalt
Einstündiges Radio-Feature von Volker Skierka für NDR-Kultur aus Anlass des 50. Todestages am 21. Dezember 2008 und des 125. Geburtstages des deutsch-jüdischen Schriftstellers Lion Feuchtwanger am 7. Juli 2009 sowie ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Literaturexperten Prof. Fritz J. Raddatz.

Der Freund und Weggefährte von Bertolt Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Arnold Zweig sowie anderen literarischen Zeitgenossen zählte zu den ersten, den die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung Hitlers ausbürgerten. 1933 zog der Verfasser historischer Romane wie „Jud Süß“, „Erfolg“, „Der jüdische Krieg“ und „Goya“ zunächst nach Sanary-sur-mer an der französischen Mittelmeerküste. 1940, nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich, mußte er er unter dramatischen Umständen in die USA fliehen. „Die Dummheit der Menschen ist weit und tief wie das Meer“, schrieb er 1933 in einem Brief an Zweig. Seine Arbeit widmete der linksbürgerliche Romancier dem – vergeblichen - Kampf der Vernunft gegen Dummheit und Gewalt. Volker Skierka, Journalist und Biograf Feuchtwangers, zeichnet dessen Leben anhand von Dokumenten, Interviews und – bislang unveröffentlichter - Tonbandaufnahmen zahlreicher Gespräche nach, die der Autor einst mit Feuchtwangers Witwe Marta und seiner Sekretärinnen Lola Sernau führte.
(Mehr unter Menüpunkten "Publikationen / Lion Feuchtwanger" sowie "Villa Aurora")

Konzentrationslager Birkenau (Auschwitz). - Text und Fotos: Volker Skierka
Weiße Flecken, dunkle Geschichte
Aus: Der Tagesspiegel, 20. Jan. 2006

80 Jugendliche, Deutsche und Polen, auf der Suche nach der Wahrheit, die die Nazis unterdrückt haben. Versuch einer Versöhnung

Alles ist wie in Watte gebettet. Der Schnee liegt hoch, die Bäume und der doppelte Stacheldrahtzaun sind weiß überpudert. In klirrender Kälte passieren die polnischen Germanistik-Studentinnen Kasia Król und Maria Mrówca das weit geöffnete Tor unter dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Es ist früh am Tag. Man ist allein im ehemaligen Menschen-Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau. Stumm, in sich gekehrt und ziellos gehen die jungen Frauen durch die einsamen Lagerstraßen, stehen in einer der ehemaligen Gefangenen-Unterkünfte plötzlich vor einer 20 Meter langen Glaswand, hinter der zwei Tonnen Menschenhaar liegen. Es konnte wegen der Befreiung des KZs nicht mehr an die Textilindustrie geliefert werden.

Kasia, die große, schlanke Dunkelhaarige, ist 21 Jahre alt, Maria, etwas kleiner und blond, ist 23. Ihre Gesichter sind wie versteinert. Draußen sagt Kasia nur: „Wenn man daran denkt, dass viele der Täter und der Opfer in unserem Alter waren …“ Dann nimmt Maria den Faden auf und sagt: „Ich glaube, es ist wichtig für die Deutschen, dass Menschen anderer Nationen mit ihnen darüber sprechen.“
In dem massiven roten Backsteinbau mit der Nummer 24, wo das Archiv jenes Ortes untergebracht ist, haben Kasia und Maria mit drei Kommilitoninnen und einem Kommilitonen von der Universität des 60 Kilometer entfernten Krakau mit einem einzigartigen deutsch-polnischen Geschichtsprojekt begonnen.

Die Studenten forschten nach Lücken und Manipulationen in der seit dem Überfall Hitlers auf Polen 1939 gleichgeschalteten Lokalpresse. Diese „weißen Flecken“ in der offiziellen Berichterstattung, versuchten die Studenten 60 Jahre nach Kriegsende mit Wahrheiten zu füllen. „Hunderte von dicken Bänden, Tagebücher und Dokumente, liegen hier“, sagen sie. „Wir haben einfach einige herausgegriffen, darin geblättert und gelesen. Das war der Anfang.“
Herausgekommen ist dabei aber nicht eine neue Arbeit über den Massenmord von Auschwitz, sondern eine Untersuchung über ein nahezu unbekanntes Thema – über den damals weitverzweigten und oft tödlichen Widerstand der gut organisierten polnischen Pfadfinderbewegung und deren Untergrundpresse im Raum Krakau...
(Klicken Sie oben links im Menü auf "Texte" und lesen Sie weiter)

Volker Skierka: "Armin Mueller-Stahl - Begegnungen. Eine Biografie in Bildern."
216 Seiten gebunden, €39,90, erschienen im Oktober 2002 im Knesebeck Verlag München, ISBN 3-89660-139-3
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  E-Mail an Volker Skierka
 
TEXTCLIP AUS: Fidel Castro - Eine Biografie

FIDEL CASTRO - eine Biografie

von Volker Skierka


Erstes Kapitel
Der Heldenmythos



"Eines ist sicher: Wo immer er sein mag, wann immer und mit wem auch immer - Fidel Castro ist da, um zu gewinnen. Ich glaube nicht, daß es jemanden auf dieser Welt gibt, der ein schlechterer Verlierer sein könnte als er. Sein Verhalten angesichts einer Niederlage, selbst in den kleinsten Dingen des täglichen Lebens, scheint einer persönlichen Gesetzmäßigkeit unterworfen zu sein: er wird es einfach nicht zugeben, und er wird keine Ruhe finden, ehe er es nicht geschafft hat, die Bedingungen umzukehren und einen Sieg daraus zu machen." Der diese Worte geschrieben hat, ist ein langjähriger Freund des "Máximo Líder": der Schriftsteller Gabriel García Márquez. Seine Sätze vermitteln eine Ahnung davon, was Fidel Castro über ein halbes Jahrhundert lang angetrieben haben mag, seine Feinde, Gegner und kritischen Freunde zu überdauern: Er wollte recht behalten in seiner Sache, moralischer wie politischer Sieger sein. Ohne jeden Selbstzweifel: "Sein" Kuba den Kubanern! Das endgültige Urteil über seine "Mission" sollte einzig die Geschichte fällen dürfen. Aber selbst ihr gegenüber hat Castro von Anfang an versucht, das letzte Wort zu behalten und das Urteil vorwegzunehmen: 1953, in dem Gerichtsverfahren um seinen gescheiterten Überfall auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, mit dem er seine Laufbahn als Berufsrevolutionär begonnen hatte, beendete er sein berühmt gewordenes Verteidigungsplädoyer in der Gewißheit: "Die Geschichte wird mich freisprechen!" Márquez glaubt: "Er ist einer der größten Idealisten unserer Zeit, und dies mag vielleicht seine größte Tugend sein, obwohl dies auch stets seine größte Gefahr gewesen ist." Aber da lauerte immer noch eine größere Gefahr: Die Einsamkeit. Denn nur in der Einsamkeit gibt es keinen Widerspruch mehr.
Mit eisernem Willen hat Castro Generationen von amerikanischen Präsidenten, sowjetischen Generalsekretären, von Staats- und Regierungschefs, Demokraten und Potentaten aus vielen Ländern überlebt, bis er die am längsten herrschende Nummer Eins des 20. Jahrhunderts und eine der interessantesten Personen der Zeitgeschichte war. Bärtig, immergrün uniformiert, Haß- und Heldenfigur in einem - so kennt ihn die Welt. Gegen keinen wurden vermutlich so viele Mordkomplotte geschmiedet. Wer derart wenig geschmeidig, "unpolitisch" kompromißlos agiert, überlebt meist nicht lange in diesen Breitengraden, wird abgesetzt oder umgebracht. Daß er am Leben blieb, ist fast ein Wunder. Es bestand aus dem Zusammenspiel seines gut trainierten Instinktes mit seinem allgegenwärtigen Sicherheitsapparat, der als einer der besten der Welt gilt. Kaum daß Castro 20 Jahre alt war, waren bereits Mörder und Verschwörer hinter ihm her: das politische Gangstertum an der Universität von Havanna Ende der vierziger Jahre, die Handlanger des später von ihm gestürzten Diktators Fulgencio Batista, während der Revolution Verräter in den eigenen Reihen, vertriebene Großgrundbesitzer, Exilkubaner aus Florida, Hand in Hand mit der CIA und der Mafia. Deren Bosse, allen voran der legendäre Meyer Lansky, hatten nach Castros Revolution auf Kuba 1959 ein Vermögen an Hotels, Clubs, Casinos, Bordellen und anderen Anlagen im Wert von über 100 Millionen Dollar verloren. Das war allein gut ein Zehntel des damals verstaatlichten US-Vermögens. Daß ein sturer Bauernsohn aus dem unterentwickelten Osten Kubas daherkam und dem sauberen Amerika dieses lukrative Paradies und Sündenbabel einfach wegnahm, daß er die "Yankees" und ihren Präsidenten Kennedy dann bei ihrem Invasionsversuch mit exilkubanischen Söldnern in der Schweinebucht 1961 vor aller Welt demütigte, daß seinetwegen auf Kuba stationierte sowjetische Atomraketen 1962 beinahe den Dritten Weltkrieg auslösten - diese tiefen narzißtischen Kränkungen im Angesicht der Geschichte wird ihm die Großmacht im Norden auch über seinen Tod hinaus nie verzeihen.
Es gibt kaum Bilder, die Castro lachend zeigen. Dabei sind die Kubaner temperamentvolle, lebensfrohe Menschen. Marquez beschrieb Castro als "einen der wenigen Kubaner, die weder singen noch tanzen". Dabei soll er ein humorvoller Mensch sein. Aber es ist, als ob er sich das Lachen und Vergnügen in aller Öffentlichkeit selbst verboten hat. Lachen ist privat. Ob es hinter dem politischen Castro auch einen privaten gibt, ist Staatsgeheimnis. Informationen über ihn und seine Familie sind gefiltert, teils widersprüchlich oder ungenau. Insgesamt gibt es nur wenig Persönliches über ihn zu erfahren. Man weiß von der früh geschiedenen Ehe, kennt ein paar leidenschaftliche Liebesaffären wie jene mit Nathalia Revuelta, der einstmals betörendsten Frau Havannas, und mit Marita Lorenz, der schönen deutschen Kapitänstochter, die ihn später im Auftrag der CIA umbringen sollte und es doch nicht schaffte. Er hat einen ehelichen Sohn, Fidelito, ein promovierter Nuklearwissenschaftler, mehrere uneheliche Kinder und eine große Enkelschar. Allen, so wird gestreut, ist er ein gütiger und strenger Vater und Großvater. Alina, seine Tochter mit Nathalia Revuelta, verfolgt ihn indessen mit Hass. Es ist bekannt, daß Castro gern schwimmt, taucht und das Baseballspiel liebt, wenig schläft und ein manischer Nachtarbeiter ist, daß er sich aus gesundheitlichen Gründen das Zigarrerauchen abgewöhnen mußte, materiell anspruchslos ist und asketisch lebt, trotzdem Eiscreme liebt und Spaghetti, die er sich gern selbst zubreitet. Als Márquez ihn einst in einer melancholischen Stimmung antraf und fragte, was er denn in diesem Augenblick am liebsten tun würde, antwortete Castro dem verblüfften Freund: "Einfach nur an irgendeiner Straßenecke herumhängen." Ob er je dachte, er hätte vielleicht doch Baseball-Spieler werden sollen? Die Chance hatte er schließlich. In seiner Studentenzeit war er ein so guter Pitcher, daß ihm die "New York Giants" einen Profi-Vertrag anboten. Dann hätte ein Stück Weltgeschichte einen anderen Verlauf genommen.
Doch stattdessen fühlte sich der im Osten Kubas geborene Sohn eines Großgrundbesitzers dazu berufen, mit einer Handvoll Gefährten - darunter dem später als Pop-Ikone der 68er-Generation vergötterten Argentinier Ché Guevara - den Diktator Fulgencio Batista zu stürzen. Und so regiert Castro seit 1959 wie ein Patriarch mit strenger Hand sein Volk wie eine große Familie. Die ganze Insel ist seine "Latifundie". Aber er will sich nicht als ihr Besitzer, sondern als deren Treuhänder verstanden wissen. Unter ihm wurden soziale Reformen eingeleitet, ein für Lateinamerika und darüber hinaus beispielloses Bildungs- und Gesundheitssystem durchgesetzt. Und unter ihm war es den Kubanern vergönnt, erstmals eine nationale Identität zu entwickeln und diese selbst in der Zeit der politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Sowjetunion beibehalten zu können. Dies, und nicht allein das allgegenwärtige Staatssicherheitskorsett, mag einer der Gründe sein, weshalb das System Castro sich trotz mangelnder demokratischer und materieller Freiheiten so lange halten konnte. Jahrzehntelang lebt die Mehrheit der Kubaner mit einem gespaltenen Bewußtsein: einerseits der Haßliebe zu den USA und der Sehnsucht nach einem Leben, wie es die westliche globalisierte Glitzerwelt vorgaukelt, und andererseits Verehrung, dem Respekt einer großen Mehrheit für Fidel, ihren Patron, selbst in armseligsten Zeiten.
Auch wenn er von seinem Temperament her eher nach seinem Vater geraten schien: Einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf das Wesen und den Charakter des Menschen Fidel Castro haben zweifellos der strenge katholische Glaube seiner Mutter und die langjährige jesuitische Internatserziehung gehabt. Nicht von ungefähr hat er immer wieder Parallelen zwischen dem Urchristentum und seinem Verständnis von Sozialismus gezogen, wenngleich er mit der Amtskirche dauerhaft im Konflikt lag. Vor diesem Hintergrund zimmerte er sich im Laufe der Jahre seine eigene "Ideologie". Sie bestand aus mehr als nur einer simplen Übernahme des Kommunismus sowjetischer Prägung: sein karibisches Sozialismusmodell ist der "Castroismus" oder, wie die Kubaner sagen: "Fidelismus". Eine pragmatische Melange aus ein wenig Marx, Engels und Lenin, etwas mehr Ché Guevara, viel José Martí und sehr viel Fidel Castro. José Martí war der kubanische Freiheitskämpfer, der Ende des 19. Jahrhunderts den entscheidenden Unabhängigkeitskampf der Kubaner gegen das Mutterland Spanien anführte. Mit ihm identifizierte Castro sich seit früher Jugend und sah sich stets in der Rolle als dessen Erbe und Enkel. "Er kannte die 28 Bände von Martís Werk gründlich und verstand es, dessen Ideen mit den Gedankenströmen einer marxistischen Revolution zu vereinigen", schrieb Márquez. Martí fiel bereits in den ersten Kriegstagen des Jahres 1895 und mußte nicht mehr erleben, wie am Ende die USA intervenierten, um sich nach der Niederlage der Spanier 1898 die Insel untertan zu machen. Voller Sorge hatte Martí an seinem Todestag an einen Freund geschrieben: "Die Geringschätzung durch einen gewaltigen Nachbarn, der uns nicht wirklich kennt, ist die schlimmste Gefahr für unser Amerika." Genau das ist die tiefere Ursache für das kubanisch-amerikanische, ja das lateinamerikanische Dilemma und wird es über Castro hinaus bleiben.

Zweites Kapitel
Der junge Fidel

Unter Jesuiten


Das erste Mal, daß im Weißen Haus in Washington der Name des kubanischen Staatsbürgers Fidel Castro zu den Akten genommen wird, ist im Jahre 1940. Mit Datum vom 6. November gratuliert der junge Internatsschüler des Jesuitenkollegs Dolores in Santiago de Cuba dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Franklin D. Roosevelt, zu dessen Wiederwahl. Bevor er den dreiseitigen Brief mit einem "Good by[e] Your friend" und einer Unterschrift aus schwungvollen Schnörkeln beendet, äußert er noch eine persönliche Bitte: "Wenn Sie mögen, schicken Sie mir eine grüne amerikanische Zehn-Dollar-Note im Brief, denn ich habe noch nie eine grüne amerikanische Zehn-Dollar-Note gesehen und würde gerne eine davon haben wollen." In dem Brief schreibt Castro, zwölf Jahre alt zu sein. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, würde es bedeuten, daß Castro zwei Jahre jünger ist als offiziell angegeben. Eine Antwort des Präsidenten erhält er nicht, immerhin aber ein Dankschreiben des State Department. Ein Geldschein liegt allerdings nicht dabei. Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, daß dieser Junge, wenn er einmal groß sein wird, den Amerikanern alles wegnehmen wird, was sie auf Kuba haben... [...]

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Cicero
Februar 2010
Guantánamo schließen - jetzt erst recht
© Volker Skierka
Die Reise ins Jenseits der Demokratie führte mich im Januar 2004 mitten hinein in eine militärische Version der „Truman Show“, jener Filmsatire von Peter Weir, in der ein ahnungsloser und gutgläubiger Kleinbürger zum Opfer einer Heile-Welt-Fernsehshow wird. In meinem Fall war das Pentagon der Regisseur der „Show“, die freilich keine Satire war, sondern blutiger Ernst. Schauplatz war der US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba [...]
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
9./10. August 2008
Kuba wartet auf seine Zukunft
Keine Aufbruchstimmung trotz angekündigter Veränderungen
Von Volker Skierka
Seit Raúl Castro vor zwei Jahren von seinem Bruder Fidel die Macht übernahm, sind in Kuba manche Veränderungen angekündigt und eingeleitet worden. Das Hauptproblem liegt in der Landwirtschaft, die dringend angekurbelt werden muss. Obwohl Kritik offener ausgedrückt wird, ist in der Bevölkerung keine Aufbruchstimmung spürbar.

Kuba wartet. Auf den Überlandbus, der selten kommt. Auf den alten sowjetischen Lastwagen, der mit einigen Dutzend Mitfahrern auf der Ladefläche über Strassen voller Schlaglöcher rumpelt. Auf den ausländischen Touristen mit dem komfortablen Mietwagen, bei dem ein Einheimischer sogar umsonst mitfahren kann. Oder einfach nur auf die einspännige und bunt geschmückte Pferdekutsche, die gemütlich durch den Ort trabt und Eilige ausbremst. Fröhlich und freundlich, hoffnungsvoll und optimistisch, mitunter auch erschöpft, resigniert und erloschen wartet ein ganzes Volk mit scheinbar grenzenloser Geduld jeden Tag in langen Schlangen und dicken Menschentrauben an den Strassenrändern und Weggabelungen darauf, irgendwohin mitgenommen zu werden, zur Arbeit, zu Verwandten, in die nächste Stadt – oder in ein anderes Leben... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
13. Dezember 2008
Die Freiheit des anderen
Exilkubaner gegen Kuba – ein Terrorkampf seit Jahrzehnten. Mit Barack Obama kommt nun auch die Hoffnung auf Besserung
Von Volker Skierka
Sie werden die „Osama bin Ladens des Westens“ genannt. Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zählen zu den gefährlichsten Terroristen der Welt. Unter den Veteranen von ihnen mitbegründeter exilkubanischer Terrornetzwerke wie „Alpha 66“, „Omega 7“, „CORU“, „El Condor“ und „Comando L“ genießen die beiden einen zweifelhaften Helden- und Kultstatus. In jenen Kreisen gelten sie als „gute“ Terroristen, weil sie über Jahrzehnte von Florida und Mittelamerika aus – immer wieder auch als feste wie freie Mitarbeiter der CIA – das Kuba der Brüder Fidel und Raúl Castro und von deren Freunden bekriegt haben. In die Hunderte geht die Zahl der im letzten halben Jahrhundert von ihnen und ihren Gesinnungsgenossen in zahlreichen Ländern, aber auch innerhalb der USA verübten, verantworteten oder zugeschriebenen Bombenanschläge, Attentate und Sabotageakte mit Explosiv- und biologischen Kampfstoffen sowie die Anzahl der menschlichen Kollateralschäden an Toten, Verletzten und Invaliden. [...]
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DIE ZEIT - Online
19. Februar 2008
Modell Kuba
Die neue Führung nach der Ära Castro wird wahrscheinlich reformbereit sein. Seine Machtelite jedoch wird versuchen, ihre Pfründe zu wahren
Von Von Volker Skierka
Es ist, als wäre er gestorben. Kaum jemand in der Welt konnte sich vorstellen, dass die Ära Fidel Castro anders zu Grabe getragen würde als in einem Sarg. Nun aber fand dies in Form der schlichten Mitteilung statt, er gebe seine Staatsämter auf.
Es passt irgendwie zu ihm, dass er seinen Abgang so inszeniert, dass er ihn auch noch selbst erleben darf. Aber vor allem auch, weil er so noch bestimmen kann, wer ihm folgt. Und das ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein Bruder Raúl, der als Erster Vizepräsident schon seit anderthalb Jahren die Amtsgeschäfte des kranken Máximo Líder kommissarisch wahrgenommen hat.
Wenn die 624 Abgeordneten der gerade neugewählten kubanischen Nationalversammlung wie geplant am Sonntag zusammentreten und den 31-köpfigen Staatsrat, mithin praktisch die künftige Staatsführung wählen, dann dürfte der jüngere Bruder der einzige Kandidat für die Nachfolge des Staatspräsidenten sein.
Spannend an dem Ritual wird sein, wie dieser Staatsrat sonst zusammengesetzt sein wird, wer den Ministerrat bildet. Wer also jene Leute sind, die das schwierige Erbe des großen Caudillo übernehmen... [...]
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Hamburger Abendblatt,
2. März 2007
Hamburg ist nicht der Kongo
Von Volker Skierka
Was unterscheidet Hamburg vom Kongo? Und was den kongolesischen Staatspräsidenten Generalmajor Joseph Kabila von dem Hamburger SPD-Kreisvorsitzenden und Major der Reserve Johannes Kahrs (übrigens tragen beide die gleichen Initialen J. K. im Namen)? Sehr viel. Deshalb lohnt der Vergleich. Im Kongo haben voriges Jahr Kahrs' Bundeswehr-Kameraden im Auftrag der Uno für einen recht ordentlichen Ablauf der Präsidentenwahl gesorgt. In Hamburg ist hingegen etwas passiert, was man bisher nur aus Ländern wie dem Kongo kannte: Erst hat der Kreisfürst und Bundestagsabgeordnete Kahrs - Mitglied des Männerbundes Wingolf sowie des Präsidiums des Förderkreises Deutsches Heer - einen Putsch gegen sein Parteioberhaupt Mathias Petersen inszeniert.
Dann, als das Opfer sich nicht so einfach meucheln ließ, half eine manipulierte Wahl nach. Deren Ausgang erfüllte schließlich das Ziel: Der Kopf ist ab... [...]
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Der Tagesspiegel
5. August 2006
Revolutionär von der traurigen Gestalt
Fidel Castros Abschied von der Macht: Die Götterdämmerung hat längst eingesetzt. Und was kommt dann?
© Volker Skierka
Auf dem Sterbelager diktiert der große Freiheitskämpfer eine bittere Erkenntnis in sein Testament: „Wer sich der Revolution verschreibt, pflügt das Meer“, sagt er und prophezeit: „Dieses Land wird unweigerlich in die Hände einer enthemmten Masse geraten, um dann an verkappte kleine Tyrannen aller Farben und Rassen zu fallen.“ Diese letzten Worte von Simón Bolívar (1783-1830), dem Befreier Südamerikas von der spanischen Krone, finden sich in dem Roman „Der General in seinem Labyrinth“ von Gabriel García Márquez. Bei der Lektüre drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor aber nicht nur Simón Bolívar, sondern auch seinen langjährigen Freund, den kubanischen Staatschef Fidel Castro vor Augen hatte.

Der ist so schwer erkrankt, dass er Anfang der Woche vor einer bedrohlichen Darmoperation die Macht „vorübergehend“ an seinen Bruder Raúl übertrug. Höhepunkt eines in den letzten Jahren zunehmend sichtbareren gesundheitlichen Verfalls des Máximo Líder. Damit stellen sich die Fragen nach der Zukunft der Tropeninsel drängender denn je zuvor... [...]
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B26 Europa/Lateinamerika
Feb. 2006
Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft, Politik/ Revista de Cultura, Economía, Política
Mit Castros Tod kann die Repression auf Kuba zunehmen
Interview mit Volker Skierka
Von Guillem Sans
(Para la version espagnola: click Menü / Texte / Archiv)

Auszug:

Wie sehen Sie die Zukunft des Landes nach dem Tod des Máximo Líder?
Ich bin sehr besorgt über die Aussichten. Die amerikanische Politik ist bekannt. Mit Bush hat sich das Verhältnis eher noch verschärft. Andererseits hat man einen kleinen Spalt im Helms-Burton-Gesetz geöffnet. Unter dem Label „humanitäre Hilfe” sind seit Jahren enorme Lebensmittellieferungen nach Kuba möglich. Es ist so, dass die Kubaner jedes Jahr mittlerweile für zwischen 400 und 500 Millionen Dollar Lebensmittel gegen Barzahlung in den USA einkaufen. Das ist das Resultat einer unermüdlichen Lobbyarbeit der – eher republikanisch orientierten – amerikanischen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie – zum Ärger der Europäer.

Was können europäische Diplomaten tun?
Die Beziehungen zu Europa sind praktisch komplett eingefroren. Es gibt weder ein amerikanisches noch ein bekanntes europäisches Konzept für das postcastristiche Kuba. Das einzige, was man von offizieller kubanischer Seite weiß, ist, dass Raúl Castro, der fünf Jahre jüngere Bruder, die Nachfolge antreten soll, und zwar nicht als Einzelherrscher, sondern als primus inter pares. Aber Fidel Castro greift neuerdings auch jenes Wirtschaftskonzept an, mit dem Kuba in den letzten zehn Jahren eigentlich ganz gut gefahren ist. So liegt jetzt alles wieder im Dunkeln.

Wie schätzen Sie den Strategiewechsel der Europäer ein?
Die Europäer haben ja den Versuch gemacht, und zwar ausgehend von Spanien, im vorigen Frühjahr die Frostperiode zu beenden, indem sie Lockerungen in den Beziehungen in Aussicht gestellt haben. Und als man nach einigen Vorsondierungen glaubte, jetzt käme man mit den Kubanern auf offizieller Ebene wieder ins Gespräch, hat Castro das ja brüsk unterbunden. Er hat sich sogar darüber lustig gemacht, die Regierung Zapateros in Spanien düpiert und gesagt, er brauche weder Europa noch die USA. Das mag für ihn gelten, aber wie soll es nach ihm für die Kubaner weitergehen? Er sollte froh sein, dass die Europäische Union sich um Kuba mehr zu sorgen scheint als die USA, die nur das Geschäft sehen.

Stillstand also...
…und Rückschritt: für das kubanische Volk eine desaströse Situation. ... [...]
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Der Tagesspiegel
27.02.2005
Guantánamo III
Stacheldraht im Kopf
In Guantánamo sitzen zurzeit 550 Häftlinge: ein rechtsfreier Raum, ein Desaster für die Demokratie. Und alle reden von Bushs Charme-Offensive
© Volker Skierka
Im Jahr 1874 meldete der Farmer J.F. Glidden aus Illinois eine Erfindung zum Patent an, welches die Tier- und später auch die Menschenhaltung revolutionieren sollte: den Stacheldraht. Seither erobert der mit spitzen Zacken versehene gezwirbelte Draht die Welt. Was ursprünglich dafür gedacht war, große Viehherden zusammenzuhalten, ist heute eine der effizientesten – und preiswertesten – Defensivwaffen der Menschheit.

Seine harmloseste Verwendung findet der Stacheldraht bei der Abwehr von Einbrechern, sein grausamster Einsatz spiegelt sich in den Bildern der Kriegsfotografie und denen der Konzentrationslagern der Nationalsozialisten – als Umzäunung von Gefangenenlagern und tödlichen Minenfeldern. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte er als Eiserner Vorhang Ideologien und Völker, in Sechzigern Polizisten von Demonstranten und bis heute weltweit Militärkasernen, staatliche Einrichtungen und Amtsträger vor verdächtigen Bürgern. Seit den Terroranschlägen vom 11. September hat es den Anschein, als werde der ganze Erdball allmählich eine Stacheldrahtkugel, der Reisefreiheit und den offenen Grenzen in der globalisierten Welt zum Trotz. Die fortschreitende Vernetzung der Bürger geht einher mit einem Verlust ihrer Bewegungsfreiheit... [...]
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DER TAGESSPIEGEL, Dritte Seite
26.01.2004
Guantánamo II
Wo endet das Recht?
Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem US-Lager weitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo Bay auf Kuba
© Volker Skierka
Die Farbe Orange. Seit dem 11. September 2001 steht sie in Amerika für den Verlust von Freiheit. Als Synonym für ein Leben in ständiger Bedrohung. Bei Terroralarm der Stufe „Code Orange“ droht überall Gefahr. Und Reisen in den Zeiten von „Code Orange“ bedeutet: Jeder ist verdächtig. Doch als der Autor an einem Januarmorgen im Marinestützpunkt Jacksonville in Florida sein Ticket mit der Nummer „VS206804PRC000“ in die Hand gedrückt bekommt, weiß er, dass er keine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt. Schon vor Wochen musste sich sein Name auf eine Odyssee durch die Computer des Pentagon sowie der US-Sicherheits- und Geheimdienste begeben, ehe er die Erlaubnis erhielt, auf dem Militärflug BLM3 mitreisen zu dürfen. „Allein neun Tage dauerte es, bis Ihre FBI-Überprüfung vorlag“, wird ihm später jemand verraten. „Checked and cleared“, und „embedded“ in die von ihm unterschriebenen Verhaltensregeln der Public-Relations-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums ist er schließlich unterwegs an ein für gewöhnliche Reisende verbotenes Ziel... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
22.04.2002
Guantanamo I
Was tun die Yankees auf Kuba?
© Volker Skierka
Das knusprig-braune und fettglänzende Brathuhn, das der kubanische Kellner serviert, weckt nostalgische Erinnerungen an den legendären Gold-Broiler zu DDR-Zeiten. Um so mehr, weil der Blick vom Mittagstisch direkt auf eine Grenzanlage fällt, die dem „antifaschistischen Schutzwall“ ähnelt, welcher einst die Erde in ideologisch verfeindete Hälften dividierte. Minenfelder, Panzersperren, Stacheldrahtverhaue, Bunker, elektronische Sicherungsanlagen, Patrouillenwege, Wachtürme sind von dem über 400 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt „Los Malónes“ aus zu sehen. Dazwischen ein einsamer Grenzübergang, überragt von zwei Fahnenmasten. An dem diesseits flattert die kubanische Flagge, an jenem drüben die der Vereinigten Staaten von Amerika. „Drüben“, das ist der US-Flottenstützpunkt Guantánamo. Er ist 117,5 Quadratkilometer groß und liegt auf kubanischem Territorium. Uncle Sam, Fidel Castros Klassenfeind, hat ihn sich vor 99 Jahren angeeignet. [...]
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