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Castro - Graphic Novel / Comic
von Reinhard Kleist, mit einem Vorwort von Volker Skierka
280 Seiten, Hardcover, farbig, Deutschland: € 16,90 / Oesterreich: € 17,40 / Schweiz: sFr 30,90, Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2010, Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-78965-5
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Marta Feuchtwanger Copyright Volker Skierka
Ein Don Quijote gegen Dummheit und Gewalt
Einstündiges Radio-Feature von Volker Skierka für NDR-Kultur aus Anlass des 50. Todestages am 21. Dezember 2008 und des 125. Geburtstages des deutsch-jüdischen Schriftstellers Lion Feuchtwanger am 7. Juli 2009 sowie ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Literaturexperten Prof. Fritz J. Raddatz.

Der Freund und Weggefährte von Bertolt Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Arnold Zweig sowie anderen literarischen Zeitgenossen zählte zu den ersten, den die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung Hitlers ausbürgerten. 1933 zog der Verfasser historischer Romane wie „Jud Süß“, „Erfolg“, „Der jüdische Krieg“ und „Goya“ zunächst nach Sanary-sur-mer an der französischen Mittelmeerküste. 1940, nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich, mußte er er unter dramatischen Umständen in die USA fliehen. „Die Dummheit der Menschen ist weit und tief wie das Meer“, schrieb er 1933 in einem Brief an Zweig. Seine Arbeit widmete der linksbürgerliche Romancier dem – vergeblichen - Kampf der Vernunft gegen Dummheit und Gewalt. Volker Skierka, Journalist und Biograf Feuchtwangers, zeichnet dessen Leben anhand von Dokumenten, Interviews und – bislang unveröffentlichter - Tonbandaufnahmen zahlreicher Gespräche nach, die der Autor einst mit Feuchtwangers Witwe Marta und seiner Sekretärinnen Lola Sernau führte.
(Mehr unter Menüpunkten "Publikationen / Lion Feuchtwanger" sowie "Villa Aurora")

Konzentrationslager Birkenau (Auschwitz). - Text und Fotos: Volker Skierka
Weiße Flecken, dunkle Geschichte
Aus: Der Tagesspiegel, 20. Jan. 2006

80 Jugendliche, Deutsche und Polen, auf der Suche nach der Wahrheit, die die Nazis unterdrückt haben. Versuch einer Versöhnung

Alles ist wie in Watte gebettet. Der Schnee liegt hoch, die Bäume und der doppelte Stacheldrahtzaun sind weiß überpudert. In klirrender Kälte passieren die polnischen Germanistik-Studentinnen Kasia Król und Maria Mrówca das weit geöffnete Tor unter dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Es ist früh am Tag. Man ist allein im ehemaligen Menschen-Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau. Stumm, in sich gekehrt und ziellos gehen die jungen Frauen durch die einsamen Lagerstraßen, stehen in einer der ehemaligen Gefangenen-Unterkünfte plötzlich vor einer 20 Meter langen Glaswand, hinter der zwei Tonnen Menschenhaar liegen. Es konnte wegen der Befreiung des KZs nicht mehr an die Textilindustrie geliefert werden.

Kasia, die große, schlanke Dunkelhaarige, ist 21 Jahre alt, Maria, etwas kleiner und blond, ist 23. Ihre Gesichter sind wie versteinert. Draußen sagt Kasia nur: „Wenn man daran denkt, dass viele der Täter und der Opfer in unserem Alter waren …“ Dann nimmt Maria den Faden auf und sagt: „Ich glaube, es ist wichtig für die Deutschen, dass Menschen anderer Nationen mit ihnen darüber sprechen.“
In dem massiven roten Backsteinbau mit der Nummer 24, wo das Archiv jenes Ortes untergebracht ist, haben Kasia und Maria mit drei Kommilitoninnen und einem Kommilitonen von der Universität des 60 Kilometer entfernten Krakau mit einem einzigartigen deutsch-polnischen Geschichtsprojekt begonnen.

Die Studenten forschten nach Lücken und Manipulationen in der seit dem Überfall Hitlers auf Polen 1939 gleichgeschalteten Lokalpresse. Diese „weißen Flecken“ in der offiziellen Berichterstattung, versuchten die Studenten 60 Jahre nach Kriegsende mit Wahrheiten zu füllen. „Hunderte von dicken Bänden, Tagebücher und Dokumente, liegen hier“, sagen sie. „Wir haben einfach einige herausgegriffen, darin geblättert und gelesen. Das war der Anfang.“
Herausgekommen ist dabei aber nicht eine neue Arbeit über den Massenmord von Auschwitz, sondern eine Untersuchung über ein nahezu unbekanntes Thema – über den damals weitverzweigten und oft tödlichen Widerstand der gut organisierten polnischen Pfadfinderbewegung und deren Untergrundpresse im Raum Krakau...
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Volker Skierka: "Armin Mueller-Stahl - Begegnungen. Eine Biografie in Bildern."
216 Seiten gebunden, €39,90, erschienen im Oktober 2002 im Knesebeck Verlag München, ISBN 3-89660-139-3
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  E-Mail an Volker Skierka
 
TEXT Ein Gesicht, geformt vom Jahrhundert

Kalifornien: Besuch bei Marta Feuchtwanger
Ein Gesicht, geformt vom Jahrhundert
 
Trotz der Schicksalsschläge in der Zeit des Dritten Reichs hält die Witwe des vertriebenen Schriftstellers Rückschau ohne Bitterkeit
 
© Volker Skierka
Süddeutsche Zeitung Nr. 274, Seite 3, 28. November 1981


Los Angeles, im November
Begegnung mit einem Leben, fast 91 Jahre alt. Die Sonne versinkt langsam im Pazifik, draußen wird es kühl, irgendwo bellt ein Wachhund, leise dringt das Rauschen des Meeres den Hang herauf. Die Frau mit dem schneeweißen, streng nach hinten gekämmten und geknoteten Haar, der ich in der spanischen Villa am Paeso Miramar in Pacific Palisades bei Los Angeles gegenübersitze, sagt: ''Ich hab' mir mein Leben nie besser gewünscht.'' Und sie erzählt viele Stunden von einem Leben, in dem Armut und Wohlstand, Gefangenschaft, Freiheit und Verfolgung einander ablösten, das reich war an Liebe und Glück und an Kämpfen gegen Dummheit und Gewalt mit dem Wort als Waffe. Marta Feuchtwanger, die Witwe des wie so viele von den Nazis in die Emigration getriebenen und heute noch im Ausland mehr als in der Bundesrepublik gelesenen deutschen Schriftstellers Lion Feuchtwanger, erzählt von dem Leben mit ihrem Mann.
Als es noch hell war, habe ich auf der Terrasse ein paar Photos von ihr gemacht: Porträtaufnahmen von einem Gesicht mit noch straffer Haut, in dem sich dieses erfüllte Leben widerspiegelt, ein Gesicht, aus dem viel Ruhe und Innere Ausgeglichenheit und nicht die Spur von Hader oder Bitterkeit abzulesen sind. Aber diese Photos sind blaß im Vergleich zur Erinnerung an die Wirklichkeit der Begegnung und des Gesprächs mit dieser Frau. Zu diesen Augen, die soviel Lebendigkeit, Wärme und Humor ausstrahlen, und einem Mund, der starken Willen, Entschlossenheit und Durchsetzungskraft verrät, gehört ein wacher, mit Diplomatie und Witz gewürzter Geist.
Und wenn sie spricht, mit fester, klarer, sehr münchnerisch gefärbter Stimme, Erinnerungen aufbereitet, stundenlang - wie ein lebendes Lexikon ein Kapitel deutscher Literaturgeschichte referiert, dabei durch das riesige Haus wandert, das eine einzige Bibliothek ist, bestehend aus 35 000 Bänden, die sie mit ihrem Mann zusammengetragen hat, wenn sie aus diesen Büchern, oft Erstausgaben, bis ins frühe Mittelalter zurückreichend, zitiert, Erinnerungsstücke zeigt, dann sind die zurückliegenden hundert Jahre nicht mehr abstrakte Historie, sondern leibhaftig gegenwärtig. So, als ob alles erst gestern passiert wäre. ''Hier, wo wir jetzt sitzen'', sagt sie, als wir von der steinernen Bank der Terrasse auf den großen, dicht von Pflanzen bewachsenen Garten und zum Meer hinuntersehen, ''hier saßen am 13. Oktober 1947 der Bert Brecht und mein Mann - einen Tag, bevor Brecht zurück nach Europa fliehen mußte, weil die Kommunistenjäger dieses McCarthy hinter ihm her waren und ihn ums Haar erwischt und eingesperrt hätten.''
Brecht und sein Mentor und Freund Feuchtwanger, die sich seit Anfang der zwanziger Jahre aus München kannten, wo Feuchtwanger dem jungen Brecht zu seiner' ersten Erfolgen verholfen hatte, sahen sich an jenem Tag zum letztenmal. Brecht starb 1956 in Ostberlin, Feuchtwanger 1958 in Los Angeles an einer Magenblutung.
Marta und Lion Feuchtwanger, beide aus einem gutbürgerlichen jüdischen Elternhaus, sind 48 Jahre zusammen gewesen, 46 Jahre davon verheiratet, und manchmal, wenn sie von den vielen und tiefen Gemeinsamkeiten dieser Beziehung erzählt, scheint es, als lebe er in seiner Marta fort. Im Alter gar waren beider Gesichtszüge einander immer ähnlicher geworden. ''Außer 1940 in Frankreich im KZ waren wir immer zusammen, haben immer alles zusammen gearbeitet.'' Wo immer sie lebten, in München bis Mitte der zwanziger Jahre, danach bis zu Hitlers Machtergreifung in Berlin, später im Exil in Sanary sur Mer in Südfrankreich und schließlich in Kalifornien, wohin sie 1941 geflüchtet waren, war ihr Haus Treffpunkt eines großen Freundeskreises. Viele bekannte Namen zählten dazu: Stefan und Arnold Zweig, Heinrich und Thomas Mann, Franz Werfel, Alfred Döblin. Und der Umgang mit den Freunden war für Marta Feuchtwanger, deren Aussehen selbst in diesem hohen Alter noch eine Ahnung von ihrer einstigen Schönheit vermittelt, ''nicht immer so einfach, weil die Männer sich sehr häufig in mich verliebt hatten, da mußte ich immer sehr balancieren''.
Feuchtwanger, der zu den internationalen Berühmtheiten zählte und mit seinen Romanen immer große Auflagen erzielte, unterstütze als gutverdienender Schriftsteller einen großen Kreis von Autoren, denen es nicht so gut ging. Zu ihnen gehörten Brecht und Heinrich Mann. Nach seinem Tod, so erinnert sich heute seine Frau, ''war gar kein Geld mehr da, da hab' ich erst gar nicht gewußt, wie's weitergeht, und hab' mich sogar fürs Babysitting angemeldet, weil ich die Bücher nicht verkaufen wollte''.
Als sie ihn 1910 als wohlerzogenes Mädchen über seine Schwester kennenlernte, wollte sie ''einen Mann haben, der gescheiter ist als ich. Das war mir das Wichtigste, und das hab' ich erreicht''. Sie war dann ''eine Art Lehrling bei ihm'', er habe ihr ''Zuversicht und Selbstbewußtsein beigebracht, indem er mir immer seine Arbeit vorgelesen und mich gefragt hat, bis ich, wie er sagte, eine unentbehrliche Mitarbeiterin wurde''.
So entstanden Feuchtwangers Dramen und historische Romane, die mittlerweile in mehr als 45 Sprachen erschienen sind und Millionenauflagen erreicht haben, darunter ''Jud Süß'', den die Nazis verfälschten, indem sie nach ihm einen antijüdischen Hetzfilm drehten, ''Goya'', der auch eine Anspielung auf den Franco - Faschismus ist, und vor allem die ''Wartesaal -Trilogie''. Band eins, ''Erfolg'', legt den korrupten Provinzialismus Bayerns Anfang der zwanziger Jahre und die wachsenden faschistischen Tendenzen im Münchner Kleinbürgertum bloß, in dem Hitler und die Nationalsozialisten als ''Rupert Kutzner'' und die ''wahrhaft Deutschen'' auftauchen. Band zwei, ''Die Geschwister Oppermann'', schildert das von Tod und Vertreibung geprägte Schicksal einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie nach der Machtergreifung. Band drei schließlich, ''Exil'', der ''für das Fernsehen verfilmt wurde, beschreibt das Schicksal jüdischer Emigranten 1935 in Paris.
In einem 1939 verfaßten Nachwort Feuchtwangers zur ''Wartesaal-Trilogie'' heißt es: ''Inhalt und Romanzyklus sind die Geschehnisse in Deutschland zwischen den Kriegen von 1914 und 1939, das heißt, der Wiedereinbruch der Barbarei in Deutschland und ihr zeitweiliger Sieg über die Vernunft. Zweck der Trilogie ist, diese schlimme Zeit des Wartens und des Übergangs, die dunkelste, welche Deutschland seit dem Dreißigjährigen Krieg erlebt hat, für die Späteren lebendig zu machen. Denn es wird diesen Späteren unverständlich sein, wie wir ein solches Leben so lange ertragen konnten.'' Er schloß dieses Machwort mit den Sätzen: ''Ich selber bin überzeugt, daß die ungeheuer blutige Groteske, die sich in uns und an uns allen austobt, enden wird mit dem Sieg der Vernunft über die Dummheit. Darum setze ich auch kein ‚Finis’ unter diesen dritten Teil des Romanzyklus ‚Der Wartesaal’. Ich rechne damit, daß ich das Werk mit einem Epilog ‚Rückkehr’ werde schließen können.''
Er schloß dieses Werk nie ab, und er kehrte auch nicht nach Deutschland zurück. Nachdem die Nazis 1933 seine Bücher verbrannt hatten, geriet er, im westlichen Nachkriegsdeutschland als Kommunist verschrien, erneut auf den Index. Nachdem er russischen Schriftstellern zum Jahrestag der Oktoberrevolution gratuliert hatte, verschwanden seine Bücher aus den Regalen der Buchhändler, und, so Marta Feuchtwanger heute, ''die Verlage weigerten sich, ihn zu drucken''. Feuchtwanger, längst einer der bedeutendsten Autoren der deutschsprachigen Literatur, hat es ''gelassen getragen, er wurde ja sonst auf der ganzen Welt, in England und Amerika wie in Rußland und Japan gedruckt''. So wie die Vergangenheit wurde in der Bundesrepublik auch Feuchtwanger verdrängt, während die DDR bisher fast sein ganzes Werk nachdruckte. Und Marta Feuchtwanger ist froh, daß ''die Jungen sich das nicht mehr gefallen lassen und jetzt nach seinen Büchern verlangen''.
Natürlich, so Marta Feuchtwanger, ''sind wir links gewesen''. Aber er war ''kein Kommunist, dazu war er viel zu kritisch'', und sie, die ''nix gewußt hat von Marx oder sowas'', ist ''vom ursprünglichen christlichen katholischen Standpunkt'' so geworden. Da die Dienstmädchen und Mitschülerinnen alle katholisch waren, hat sie sich ''für das Christuskind mehr interessiert als für Moses'', und sie amüsiert sich heute noch darüber, als Jüdin solchermaßen auf Abwege geraten zu sein. ''Ich hab' einfach den Glauben ernstgenommen, weil ich finde, daß die christliche Religion mehr Mitleid und Nächstenliebe hat als irgendeine andere Religion.'' Deshalb sei sie auch keine Zionistin, ''denn die benehmen sich wirklich schlecht''.
Marta Feuchtwanger hat lange gezögert, Deutschland wiederzusehen: ''Ich hab' Angst davor gehabt, jemandem die Hand geben zu müssen, weil ich fürchtete, es könnte ein Nazi gewesen sein.'' Sie ist dann schließlich 1969 ''nur gegangen, weil Willy Brandt so gedrängt hat. Und als ich da war, hab' ich versucht, möglichst mit jungen Menschen zusammenzusein, weil ich nicht wußte, was die Älteren während der Nazizeit getan haben.'' Aber ''eigentlich'', sagt sie, sei sie ''ja immer deutsch geblieben. Ich kann mich nicht als Amerikanerin fühlen, auch jetzt, nach 40 Jahren noch nicht.'' Für sie, in ihrem Bewußtsein gibt es kein geteiltes Deutschland, ''existiert nur ganz Deutschland''. Und oben im Arbeitszimmer liegen auf einem Schreibtisch zwei ihr verliehene Auszeichnungen demonstrativ ganz eng beieinander: das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland und der Goldene Stern der Völkerfreundschaft der DDR. Sie will auch wieder in die Bundesrepublik kommen, in Hamburg ein selbstverfaßtes Vorwort zur Verfilmung der ''Geschwister Oppermann'' sprechen und ''bestimmt'' auch Berlin wiedersehen. Aber nach Bayern möchte sie nicht, ''weil ich nicht weiß, wie ich mich da verhalten soll''.
Wanderjahre im Süden
Wenn Marta Feuchtwanger erzählt, dann weniger über sich als über Lion Feuchtwanger, vor allem über seine Arbeit, für deren Anerkennung sie nach seinem Tod unermüdlich gewirkt hat. Nur zögernd geht sie auch auf das ein, was persönlich und privat ist. ''In dieser Hinsicht'', sagt sie, sei sie ''sehr altmodisch''. Aber dann kommt doch einiges zum Vorschein, erzählt sie von den ersten Jahren ihrer Ehe, als sie ''losgezogen'' sind im Jahre 1912 nach der Hochzeit, zunächst in Monte Carlo ''nobel im Grand Hotel mit Abendkleidern lebten'', dann ''alles verspielten'' und ''verhökern'' mußten, dann jahrelang ''aus dem Rucksack'' lebten. ''Wir haben in den Weinbergen gewohnt, in Verschlägen übernachtet. So sind wir jahrelang durch Italien, vor allem Sizilien, und durch Nordafrika, die Sahara gewandert und haben immer die tollsten Sachen erlebt.'' Ein Schlüsselerlebnis war es für die beiden, als ihr Mann bei einer Wanderung an einer elektrischen Überlandzentrale ein Warnschild übersah und ums Haar eine Leitung angefaßt hätte. ''Da hab' ich ihn weggerissen, und er hat später gefragt: ,Was hättest du getan, wenn ich getötet worden wäre?`, und da hab' ich unwillkürlich geantwortet, dann hätt' ich auch angelangt. Das hat er wie einen Vertrag betrachtet.'' Das Wichtigste in ihrer Ehe sei ''die Kameradschaft, Solidarität und unbedingte Freundschaft und Nachsicht gewesen.'' Schließlich sei ''ein Schriftsteller ja gewöhnlich nicht immer ein guter Ehemann''. Meinungsverschiedenheiten haben ''nie über die Nacht gedauert'', und ''man hat zusammengehalten, was immer passiert ist''. So haben sie die schwierigen zwanziger und dreißiger Jahre überstanden, so hat sie die Kraft gehabt, ihn in Frauenkleidern 1940 aus dem Internierungslager in Südfrankreich zu entführen und mit ihm über die Pyrenäen nach Portugal und von dort nach Amerika zu entkommen.
1943 zogen sie in dieses Haus mit 30 Zimmern, die vollgestellt sind mit Büchern, in dem sie die Vergangenheit konserviert und sie immer wieder aufleben läßt. Sie hat bereits alles, das Haus, die Bibliothek und wohl etwa zwei Millionen Dollar der Universität von Kalifornien vermacht, die ein Feuchtwanger - Institut gegründet hat. Ständig kommen Studenten, Professoren, kommen Freunde und Politiker aus aller Welt. Auch bei uns ist es spät geworden, sie bietet noch einen Sherry an, bevor wir uns verabschieden, und es klingt fast wie eine Entschuldigung, als sie noch sagt: ''Wissen Sie, ich habe soviel Arbeit, daß ich gar keine Zeit für einen persönlichen Rückblick habe. Auch mit dem Lion habe ich eigentlich nie gesprochen über diese Dinge. Das hat man gewußt, daß es da ist.''

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Cicero
Februar 2010
Guantánamo schließen - jetzt erst recht
© Volker Skierka
Die Reise ins Jenseits der Demokratie führte mich im Januar 2004 mitten hinein in eine militärische Version der „Truman Show“, jener Filmsatire von Peter Weir, in der ein ahnungsloser und gutgläubiger Kleinbürger zum Opfer einer Heile-Welt-Fernsehshow wird. In meinem Fall war das Pentagon der Regisseur der „Show“, die freilich keine Satire war, sondern blutiger Ernst. Schauplatz war der US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba [...]
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
9./10. August 2008
Kuba wartet auf seine Zukunft
Keine Aufbruchstimmung trotz angekündigter Veränderungen
Von Volker Skierka
Seit Raúl Castro vor zwei Jahren von seinem Bruder Fidel die Macht übernahm, sind in Kuba manche Veränderungen angekündigt und eingeleitet worden. Das Hauptproblem liegt in der Landwirtschaft, die dringend angekurbelt werden muss. Obwohl Kritik offener ausgedrückt wird, ist in der Bevölkerung keine Aufbruchstimmung spürbar.

Kuba wartet. Auf den Überlandbus, der selten kommt. Auf den alten sowjetischen Lastwagen, der mit einigen Dutzend Mitfahrern auf der Ladefläche über Strassen voller Schlaglöcher rumpelt. Auf den ausländischen Touristen mit dem komfortablen Mietwagen, bei dem ein Einheimischer sogar umsonst mitfahren kann. Oder einfach nur auf die einspännige und bunt geschmückte Pferdekutsche, die gemütlich durch den Ort trabt und Eilige ausbremst. Fröhlich und freundlich, hoffnungsvoll und optimistisch, mitunter auch erschöpft, resigniert und erloschen wartet ein ganzes Volk mit scheinbar grenzenloser Geduld jeden Tag in langen Schlangen und dicken Menschentrauben an den Strassenrändern und Weggabelungen darauf, irgendwohin mitgenommen zu werden, zur Arbeit, zu Verwandten, in die nächste Stadt – oder in ein anderes Leben... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
13. Dezember 2008
Die Freiheit des anderen
Exilkubaner gegen Kuba – ein Terrorkampf seit Jahrzehnten. Mit Barack Obama kommt nun auch die Hoffnung auf Besserung
Von Volker Skierka
Sie werden die „Osama bin Ladens des Westens“ genannt. Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zählen zu den gefährlichsten Terroristen der Welt. Unter den Veteranen von ihnen mitbegründeter exilkubanischer Terrornetzwerke wie „Alpha 66“, „Omega 7“, „CORU“, „El Condor“ und „Comando L“ genießen die beiden einen zweifelhaften Helden- und Kultstatus. In jenen Kreisen gelten sie als „gute“ Terroristen, weil sie über Jahrzehnte von Florida und Mittelamerika aus – immer wieder auch als feste wie freie Mitarbeiter der CIA – das Kuba der Brüder Fidel und Raúl Castro und von deren Freunden bekriegt haben. In die Hunderte geht die Zahl der im letzten halben Jahrhundert von ihnen und ihren Gesinnungsgenossen in zahlreichen Ländern, aber auch innerhalb der USA verübten, verantworteten oder zugeschriebenen Bombenanschläge, Attentate und Sabotageakte mit Explosiv- und biologischen Kampfstoffen sowie die Anzahl der menschlichen Kollateralschäden an Toten, Verletzten und Invaliden. [...]
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DIE ZEIT - Online
19. Februar 2008
Modell Kuba
Die neue Führung nach der Ära Castro wird wahrscheinlich reformbereit sein. Seine Machtelite jedoch wird versuchen, ihre Pfründe zu wahren
Von Von Volker Skierka
Es ist, als wäre er gestorben. Kaum jemand in der Welt konnte sich vorstellen, dass die Ära Fidel Castro anders zu Grabe getragen würde als in einem Sarg. Nun aber fand dies in Form der schlichten Mitteilung statt, er gebe seine Staatsämter auf.
Es passt irgendwie zu ihm, dass er seinen Abgang so inszeniert, dass er ihn auch noch selbst erleben darf. Aber vor allem auch, weil er so noch bestimmen kann, wer ihm folgt. Und das ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein Bruder Raúl, der als Erster Vizepräsident schon seit anderthalb Jahren die Amtsgeschäfte des kranken Máximo Líder kommissarisch wahrgenommen hat.
Wenn die 624 Abgeordneten der gerade neugewählten kubanischen Nationalversammlung wie geplant am Sonntag zusammentreten und den 31-köpfigen Staatsrat, mithin praktisch die künftige Staatsführung wählen, dann dürfte der jüngere Bruder der einzige Kandidat für die Nachfolge des Staatspräsidenten sein.
Spannend an dem Ritual wird sein, wie dieser Staatsrat sonst zusammengesetzt sein wird, wer den Ministerrat bildet. Wer also jene Leute sind, die das schwierige Erbe des großen Caudillo übernehmen... [...]
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Hamburger Abendblatt,
2. März 2007
Hamburg ist nicht der Kongo
Von Volker Skierka
Was unterscheidet Hamburg vom Kongo? Und was den kongolesischen Staatspräsidenten Generalmajor Joseph Kabila von dem Hamburger SPD-Kreisvorsitzenden und Major der Reserve Johannes Kahrs (übrigens tragen beide die gleichen Initialen J. K. im Namen)? Sehr viel. Deshalb lohnt der Vergleich. Im Kongo haben voriges Jahr Kahrs' Bundeswehr-Kameraden im Auftrag der Uno für einen recht ordentlichen Ablauf der Präsidentenwahl gesorgt. In Hamburg ist hingegen etwas passiert, was man bisher nur aus Ländern wie dem Kongo kannte: Erst hat der Kreisfürst und Bundestagsabgeordnete Kahrs - Mitglied des Männerbundes Wingolf sowie des Präsidiums des Förderkreises Deutsches Heer - einen Putsch gegen sein Parteioberhaupt Mathias Petersen inszeniert.
Dann, als das Opfer sich nicht so einfach meucheln ließ, half eine manipulierte Wahl nach. Deren Ausgang erfüllte schließlich das Ziel: Der Kopf ist ab... [...]
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Der Tagesspiegel
5. August 2006
Revolutionär von der traurigen Gestalt
Fidel Castros Abschied von der Macht: Die Götterdämmerung hat längst eingesetzt. Und was kommt dann?
© Volker Skierka
Auf dem Sterbelager diktiert der große Freiheitskämpfer eine bittere Erkenntnis in sein Testament: „Wer sich der Revolution verschreibt, pflügt das Meer“, sagt er und prophezeit: „Dieses Land wird unweigerlich in die Hände einer enthemmten Masse geraten, um dann an verkappte kleine Tyrannen aller Farben und Rassen zu fallen.“ Diese letzten Worte von Simón Bolívar (1783-1830), dem Befreier Südamerikas von der spanischen Krone, finden sich in dem Roman „Der General in seinem Labyrinth“ von Gabriel García Márquez. Bei der Lektüre drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor aber nicht nur Simón Bolívar, sondern auch seinen langjährigen Freund, den kubanischen Staatschef Fidel Castro vor Augen hatte.

Der ist so schwer erkrankt, dass er Anfang der Woche vor einer bedrohlichen Darmoperation die Macht „vorübergehend“ an seinen Bruder Raúl übertrug. Höhepunkt eines in den letzten Jahren zunehmend sichtbareren gesundheitlichen Verfalls des Máximo Líder. Damit stellen sich die Fragen nach der Zukunft der Tropeninsel drängender denn je zuvor... [...]
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B26 Europa/Lateinamerika
Feb. 2006
Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft, Politik/ Revista de Cultura, Economía, Política
Mit Castros Tod kann die Repression auf Kuba zunehmen
Interview mit Volker Skierka
Von Guillem Sans
(Para la version espagnola: click Menü / Texte / Archiv)

Auszug:

Wie sehen Sie die Zukunft des Landes nach dem Tod des Máximo Líder?
Ich bin sehr besorgt über die Aussichten. Die amerikanische Politik ist bekannt. Mit Bush hat sich das Verhältnis eher noch verschärft. Andererseits hat man einen kleinen Spalt im Helms-Burton-Gesetz geöffnet. Unter dem Label „humanitäre Hilfe” sind seit Jahren enorme Lebensmittellieferungen nach Kuba möglich. Es ist so, dass die Kubaner jedes Jahr mittlerweile für zwischen 400 und 500 Millionen Dollar Lebensmittel gegen Barzahlung in den USA einkaufen. Das ist das Resultat einer unermüdlichen Lobbyarbeit der – eher republikanisch orientierten – amerikanischen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie – zum Ärger der Europäer.

Was können europäische Diplomaten tun?
Die Beziehungen zu Europa sind praktisch komplett eingefroren. Es gibt weder ein amerikanisches noch ein bekanntes europäisches Konzept für das postcastristiche Kuba. Das einzige, was man von offizieller kubanischer Seite weiß, ist, dass Raúl Castro, der fünf Jahre jüngere Bruder, die Nachfolge antreten soll, und zwar nicht als Einzelherrscher, sondern als primus inter pares. Aber Fidel Castro greift neuerdings auch jenes Wirtschaftskonzept an, mit dem Kuba in den letzten zehn Jahren eigentlich ganz gut gefahren ist. So liegt jetzt alles wieder im Dunkeln.

Wie schätzen Sie den Strategiewechsel der Europäer ein?
Die Europäer haben ja den Versuch gemacht, und zwar ausgehend von Spanien, im vorigen Frühjahr die Frostperiode zu beenden, indem sie Lockerungen in den Beziehungen in Aussicht gestellt haben. Und als man nach einigen Vorsondierungen glaubte, jetzt käme man mit den Kubanern auf offizieller Ebene wieder ins Gespräch, hat Castro das ja brüsk unterbunden. Er hat sich sogar darüber lustig gemacht, die Regierung Zapateros in Spanien düpiert und gesagt, er brauche weder Europa noch die USA. Das mag für ihn gelten, aber wie soll es nach ihm für die Kubaner weitergehen? Er sollte froh sein, dass die Europäische Union sich um Kuba mehr zu sorgen scheint als die USA, die nur das Geschäft sehen.

Stillstand also...
…und Rückschritt: für das kubanische Volk eine desaströse Situation. ... [...]
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Der Tagesspiegel
27.02.2005
Guantánamo III
Stacheldraht im Kopf
In Guantánamo sitzen zurzeit 550 Häftlinge: ein rechtsfreier Raum, ein Desaster für die Demokratie. Und alle reden von Bushs Charme-Offensive
© Volker Skierka
Im Jahr 1874 meldete der Farmer J.F. Glidden aus Illinois eine Erfindung zum Patent an, welches die Tier- und später auch die Menschenhaltung revolutionieren sollte: den Stacheldraht. Seither erobert der mit spitzen Zacken versehene gezwirbelte Draht die Welt. Was ursprünglich dafür gedacht war, große Viehherden zusammenzuhalten, ist heute eine der effizientesten – und preiswertesten – Defensivwaffen der Menschheit.

Seine harmloseste Verwendung findet der Stacheldraht bei der Abwehr von Einbrechern, sein grausamster Einsatz spiegelt sich in den Bildern der Kriegsfotografie und denen der Konzentrationslagern der Nationalsozialisten – als Umzäunung von Gefangenenlagern und tödlichen Minenfeldern. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte er als Eiserner Vorhang Ideologien und Völker, in Sechzigern Polizisten von Demonstranten und bis heute weltweit Militärkasernen, staatliche Einrichtungen und Amtsträger vor verdächtigen Bürgern. Seit den Terroranschlägen vom 11. September hat es den Anschein, als werde der ganze Erdball allmählich eine Stacheldrahtkugel, der Reisefreiheit und den offenen Grenzen in der globalisierten Welt zum Trotz. Die fortschreitende Vernetzung der Bürger geht einher mit einem Verlust ihrer Bewegungsfreiheit... [...]
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DER TAGESSPIEGEL, Dritte Seite
26.01.2004
Guantánamo II
Wo endet das Recht?
Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem US-Lager weitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo Bay auf Kuba
© Volker Skierka
Die Farbe Orange. Seit dem 11. September 2001 steht sie in Amerika für den Verlust von Freiheit. Als Synonym für ein Leben in ständiger Bedrohung. Bei Terroralarm der Stufe „Code Orange“ droht überall Gefahr. Und Reisen in den Zeiten von „Code Orange“ bedeutet: Jeder ist verdächtig. Doch als der Autor an einem Januarmorgen im Marinestützpunkt Jacksonville in Florida sein Ticket mit der Nummer „VS206804PRC000“ in die Hand gedrückt bekommt, weiß er, dass er keine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt. Schon vor Wochen musste sich sein Name auf eine Odyssee durch die Computer des Pentagon sowie der US-Sicherheits- und Geheimdienste begeben, ehe er die Erlaubnis erhielt, auf dem Militärflug BLM3 mitreisen zu dürfen. „Allein neun Tage dauerte es, bis Ihre FBI-Überprüfung vorlag“, wird ihm später jemand verraten. „Checked and cleared“, und „embedded“ in die von ihm unterschriebenen Verhaltensregeln der Public-Relations-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums ist er schließlich unterwegs an ein für gewöhnliche Reisende verbotenes Ziel... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
22.04.2002
Guantanamo I
Was tun die Yankees auf Kuba?
© Volker Skierka
Das knusprig-braune und fettglänzende Brathuhn, das der kubanische Kellner serviert, weckt nostalgische Erinnerungen an den legendären Gold-Broiler zu DDR-Zeiten. Um so mehr, weil der Blick vom Mittagstisch direkt auf eine Grenzanlage fällt, die dem „antifaschistischen Schutzwall“ ähnelt, welcher einst die Erde in ideologisch verfeindete Hälften dividierte. Minenfelder, Panzersperren, Stacheldrahtverhaue, Bunker, elektronische Sicherungsanlagen, Patrouillenwege, Wachtürme sind von dem über 400 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt „Los Malónes“ aus zu sehen. Dazwischen ein einsamer Grenzübergang, überragt von zwei Fahnenmasten. An dem diesseits flattert die kubanische Flagge, an jenem drüben die der Vereinigten Staaten von Amerika. „Drüben“, das ist der US-Flottenstützpunkt Guantánamo. Er ist 117,5 Quadratkilometer groß und liegt auf kubanischem Territorium. Uncle Sam, Fidel Castros Klassenfeind, hat ihn sich vor 99 Jahren angeeignet. [...]
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