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Castro - Graphic Novel / Comic
von Reinhard Kleist, mit einem Vorwort von Volker Skierka
280 Seiten, Hardcover, farbig, Deutschland: € 16,90 / Oesterreich: € 17,40 / Schweiz: sFr 30,90, Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2010, Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-78965-5
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Marta Feuchtwanger Copyright Volker Skierka
Ein Don Quijote gegen Dummheit und Gewalt
Einstündiges Radio-Feature von Volker Skierka für NDR-Kultur aus Anlass des 50. Todestages am 21. Dezember 2008 und des 125. Geburtstages des deutsch-jüdischen Schriftstellers Lion Feuchtwanger am 7. Juli 2009 sowie ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Literaturexperten Prof. Fritz J. Raddatz.

Der Freund und Weggefährte von Bertolt Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Arnold Zweig sowie anderen literarischen Zeitgenossen zählte zu den ersten, den die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung Hitlers ausbürgerten. 1933 zog der Verfasser historischer Romane wie „Jud Süß“, „Erfolg“, „Der jüdische Krieg“ und „Goya“ zunächst nach Sanary-sur-mer an der französischen Mittelmeerküste. 1940, nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich, mußte er er unter dramatischen Umständen in die USA fliehen. „Die Dummheit der Menschen ist weit und tief wie das Meer“, schrieb er 1933 in einem Brief an Zweig. Seine Arbeit widmete der linksbürgerliche Romancier dem – vergeblichen - Kampf der Vernunft gegen Dummheit und Gewalt. Volker Skierka, Journalist und Biograf Feuchtwangers, zeichnet dessen Leben anhand von Dokumenten, Interviews und – bislang unveröffentlichter - Tonbandaufnahmen zahlreicher Gespräche nach, die der Autor einst mit Feuchtwangers Witwe Marta und seiner Sekretärinnen Lola Sernau führte.
(Mehr unter Menüpunkten "Publikationen / Lion Feuchtwanger" sowie "Villa Aurora")

Konzentrationslager Birkenau (Auschwitz). - Text und Fotos: Volker Skierka
Weiße Flecken, dunkle Geschichte
Aus: Der Tagesspiegel, 20. Jan. 2006

80 Jugendliche, Deutsche und Polen, auf der Suche nach der Wahrheit, die die Nazis unterdrückt haben. Versuch einer Versöhnung

Alles ist wie in Watte gebettet. Der Schnee liegt hoch, die Bäume und der doppelte Stacheldrahtzaun sind weiß überpudert. In klirrender Kälte passieren die polnischen Germanistik-Studentinnen Kasia Król und Maria Mrówca das weit geöffnete Tor unter dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Es ist früh am Tag. Man ist allein im ehemaligen Menschen-Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau. Stumm, in sich gekehrt und ziellos gehen die jungen Frauen durch die einsamen Lagerstraßen, stehen in einer der ehemaligen Gefangenen-Unterkünfte plötzlich vor einer 20 Meter langen Glaswand, hinter der zwei Tonnen Menschenhaar liegen. Es konnte wegen der Befreiung des KZs nicht mehr an die Textilindustrie geliefert werden.

Kasia, die große, schlanke Dunkelhaarige, ist 21 Jahre alt, Maria, etwas kleiner und blond, ist 23. Ihre Gesichter sind wie versteinert. Draußen sagt Kasia nur: „Wenn man daran denkt, dass viele der Täter und der Opfer in unserem Alter waren …“ Dann nimmt Maria den Faden auf und sagt: „Ich glaube, es ist wichtig für die Deutschen, dass Menschen anderer Nationen mit ihnen darüber sprechen.“
In dem massiven roten Backsteinbau mit der Nummer 24, wo das Archiv jenes Ortes untergebracht ist, haben Kasia und Maria mit drei Kommilitoninnen und einem Kommilitonen von der Universität des 60 Kilometer entfernten Krakau mit einem einzigartigen deutsch-polnischen Geschichtsprojekt begonnen.

Die Studenten forschten nach Lücken und Manipulationen in der seit dem Überfall Hitlers auf Polen 1939 gleichgeschalteten Lokalpresse. Diese „weißen Flecken“ in der offiziellen Berichterstattung, versuchten die Studenten 60 Jahre nach Kriegsende mit Wahrheiten zu füllen. „Hunderte von dicken Bänden, Tagebücher und Dokumente, liegen hier“, sagen sie. „Wir haben einfach einige herausgegriffen, darin geblättert und gelesen. Das war der Anfang.“
Herausgekommen ist dabei aber nicht eine neue Arbeit über den Massenmord von Auschwitz, sondern eine Untersuchung über ein nahezu unbekanntes Thema – über den damals weitverzweigten und oft tödlichen Widerstand der gut organisierten polnischen Pfadfinderbewegung und deren Untergrundpresse im Raum Krakau...
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Volker Skierka: "Armin Mueller-Stahl - Begegnungen. Eine Biografie in Bildern."
216 Seiten gebunden, €39,90, erschienen im Oktober 2002 im Knesebeck Verlag München, ISBN 3-89660-139-3
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  E-Mail an Volker Skierka
 
TEXT Versteckt hinter Büchern und Bildern

Kolumbien
Versteckt hinter Büchern und Bildern
Ein Zeuge deutscher Kulturgeschichte: der Buchhändler und Galerist Karl Buchholz in Bogotá
 
 
© Volker Skierka
Süddeutsche Zeitung Nr. 219, SZ am Wochenende, Seite XIV, 22. September 1990


Die Notiz war vielversprechend. ''Es gab auch einen verschwiegenen Ausstellungsort, der für das inoffizielle Berliner Kunstleben von Bedeutung war und den vertrauten Kreis sammelnder Kunstfreunde zusammenhielt - der schöne, große Ausstellungsraum im Obergeschoß der Buchhandlung Buchholz in der Leipziger Straße'', schrieb Werner Haftmann in seinem Werk ''Verfemte Kunst''. ''Jeder Kunstfreund wußte von dieser versteckten Oase in der Wüstenei des offiziellen Kunstbetriebs. Dort waltete jener Curt Valentin, ehe er im letzten Augenblick nach New York emigrierte. Gerhard Marcks, den er auch später in New York zeigte, konnte dort seine neuesten Arbeiten ausstellen, Barlach und Käthe Kollwitz waren zu sehen. Glückte ein Verkauf, war das immer Anlaß zu einem fröhlichen Fest, an dem auch Käthe Kollwitz, still, jeden Übermut belächelnd, gern teilnahm.''
Mehr als ein halbes Jahrhundert ist das jetzt her. Heute lebt der Buchhändler und Galerist Karl Buchholz in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Wir finden ihn im hintersten Winkel seiner Buchhandlung in der Carrera 15 Calle 104, in alte Bücher versunken. Es ist eine eher zufällige Begegnung mit diesem Zeitzeugen eines Kapitels deutscher Kulturgeschichte. Der Weg durch den Laden zu ihm führt vorbei an Regalen mit Tausenden von Titeln sowie einer eindrucksvollen Galerie zahlreicher Bilder und Skulpturen lateinamerikanischer Künstler. Die Sammlung scheint weniger nach kommerziellen Gesichtspunkten als nach persönlichen Vorlieben zusammengestellt zu sein. Es ist eine stilistisch bunte Mischung vieler unbekannter Lateinamerikaner, zwischen denen dann aber plötzlich ein Bild von Botero hängt, mehrere hunderttausend Mark wert. Andere Bilder stehen irgendwo unter Büchertischen, und oft erinnert sich Buchholz nicht einmal mehr an den Namen des Künstlers, wohl aber an die Umstände, unter denen er das Bild kaufte. ''Die Bilder sind meine Liebhaberei'', sagt der alte Herr mit dem schlohweißen Haar und den klaren, blauen Augen in einem freundlichen, offenen Gesicht. 90 Jahre ist er jetzt alt. Seit einem Schlaganfall vor wenigen Monaten ist er beim Gehen auf zwei Stöcke angewiesen.
In Göttingen geboren und aufgewachsen, kam er nach einer Buchändlerlehre zur Gutenberg-Buchhandlung nach Berlin. Um 1925, kurz nach seiner Heirat, eröffnete er im alten Zentrum der Reichshauptstadt, in der Leipziger Straße 119, eine eigene Buchhandlung. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Kunstabteilung, die der Jude Curt Valentin leitete, den Buchholz von dem bekannten Kunsthändler Flechtheim abgeworben hatte. In einem großen Zimmer im Obergeschoß gab es für einen Kreis von Eingeweihten stets Ausstellungen von Werken der vom ''Reich'' als entartet eingestuften Künstler wie Beckmann, Kokoschka, Klee, Kollwitz oder Nolde. 1937 mußte Curt Valentin Deutschland verlassen. In New York eröffnete er mit Buchholz' Hilfe die ''Buchholz Gallery'', in der die Berliner Ausstellungen verfemter Kunst eine repräsentative Fortsetzung und vor allem Käufer für die Bilder fanden.
Buchholz gehört zu jenen, die sich im Reich als unpolitisch ausgegeben hatten. Aber wie hat er es geschafft, nach 1933 noch in Deutschland zu arbeiten? ''Bei mir'', beteuert Buchholz trotzig, ''sind keine Bücher verboten worden. Bei mir gab es viele dieser ,verbrannten' Titel, obwohl auch Nazi-Größen wie Göring in meiner Buchhandlung verkehrten und dort ebenso wie viele Nazi-Gegner einkauften.'' Buchholz war kein Widerstandskämpfer, versteckte sich vielmehr hinter seinen Büchern und Bildern. ''Ich fürchtete die Nationalsozialisten sehr. Wie so viele andere auch, habe ich Hitler nur im Geiste umgebracht.'' Als die Nationalsozialisten sich 1938 schließlich daran machten, die bei Hitler schon lange verhaßte moderne Kunst ''auszumerzen'', gehörte Buchholz zu jenen ausgesuchten Galeristen, die beauftragt wurden, ''entartete Kunst'' ins Ausland zu verkaufen, natürlich zwecks Devisenbeschaffung.
Es war eine zweifelhafte Ehre für Buchholz, der durch den Ausverkauf der bedeutendsten Werke der bildenden Kunst zum Handlanger des Postkartenmalers aus Braunau wurde. Andererseits aber war er der Retter zahlreicher, heute zu den bedeutendsten Kulturgütern des 20. Jahrhunderts zählenden Arbeiten. Als Franz Hofmann, der 1937 zum Abteilungsleiter in Goebbels Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda berufene einstige Kulturkritiker des Völkischen Beobachters und Leiter der städtischen Kunstsammlungen Münchens im Jahre 1939 die deutschen Museen ''von Produkten der Verfallskunst säubern'' wollte, wurden die meisten Werke von unbekannten Tätern in einer heimlichen Nacht-und-Nebel-Aktion weggeschafft und im Schloß Niederschönhausen in Berlin eingelagert.
Wie im Rahmen der 1987 in München veranstalteten Ausstellung über den ''Nationalsozialismus und die Entartete Kunst'' dokumentiert wurde, kamen bei dem Verkauf der Kunstwerke, die heute zusammen Millionenwerte darstellen, genau 681394 Reichsmark in die Nazi-Devisenkasse. Oft wurden die Bilder und Skulpturen zu Spottpreisen verscherbelt. Buchholz beispielsweise bot die Beckmann-Gemälde ''Badekabine'' und ''Stilleben mit Tulpen'' 1941 zusammen mit fünf anderen Beckmann-Bildern für insgesamt nur 325 Dollar einem amerikanischen Kunden an - offenbar ohne Erfolg, denn die ''Badekabine'' kehrte 1947 als Geschenk Curt Valentins an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zurück, heißt es in dem Ausstellungskatalog. Auch andere, heute unbezahlbare Bilder weisen in den Kommissionslisten der mit der Veräußerung beauftragten Galerien geradezu lächerliche Preise um 50 Dollar auf. Ein Stilleben mit Masken von Alexander Kanoldt war für fünf Dollar zu haben, für einen Lovis Corinth wurden immerhin 6000 Schweizer Franken auf einer Auktion in Luzern verlangt.
Die Galeristen ahnten oder wußten natürlich, welche Schätze sie möglicherweise in ihren Händen hielten. Aus dieser Situation entwickelten sich - von den Nazis freilich unerwünschte - Beziehungen, ja Freundschaften, die Künstlern wie Händlern gleichermaßen zugute kamen; spätere Vermögen wurden auf diese Weise begründet und wichtige Dokumente deutscher Kulturgeschichte vor der Vernichtung bewahrt. ''Trotz Emigration litten die Beckmanns keine Not. Die alten Freunde hielten zu ihnen: der Kunsthändler Günther Franke, der Berliner Sortimenter Buchholz und viele andere'', schrieb Lothar-Günther Buchheim in seiner 1959 erschienenen Max-Beckmann-Biographie. ''Beckmann war ein großer Maler und ein Freund'', sagte Buchholz in Bogotá. ''Heute war Buchholz da. Nun sind meine Probleme für dieses Jahr gelöst'', habe Beckmann einmal notiert.
Buchholz hatte fast alle großen Künstler: Chagall, Heckel, Kokoschka - um nur diese zu nennen. Daß Kokoschkas ''Windsbraut'' im Kunstmuseum Basel hängt, habe er damals eingefädelt, erinnert er sich. Einmal freilich, nachdem eine Schweizer Zeitung über Curt Valentin und seine, Buchholz', New Yorker Galerie berichtet habe, sei er von der Gestapo für drei Tage in die berüchtigte Albrechtstraße geholt worden. Er kam glimpflich davon. ''Sie verlangten, daß ich den Namen meiner Galerie in New York ändere. Nachdem ich mich standhaft weigerte, weil dies dem Geschäft geschadet hätte, haben sie mich in Ruhe gelassen. Und ein andermal, als ich in der Leipziger Straße Käthe Kollwitz ausstellte und Bilder von hungernden Kindern dabei waren, warf man mir Defätismus und Propaganda gegen Hitler vor.''
1943 wurde seine Buchhandlung in Berlin ausgebombt, wobei viele Kunstwerke zerstört wurden. Buchholz verschlug es über Madrid nach Lissabon, wo er ein neues Geschäft eröffnete, das es übrigens heute noch gibt. In den fünfziger Jahren überredete ihn schließlich ein befreundeter kolumbianischer Konsul, nach Bogotá zu gehen, wo er dann auch hängenblieb. Er eröffnete zwei weitere Buchhandlungen im Stadtzentrum, die ihm ebenfalls noch gehören. Buchholz galt in Intellektuellenkreisen in Lateinamerika stets als Institution liberalen Geistes: ''Neulich gestand ein bekannter kolumbianischer Politiker im Radio, als er auf seine Bibliothek angesprochen wurde: ,Vieles habe ich nicht gekauft, sondern bei Buchholz geklaut.’''
Als seine Frau nach 62 Jahren Ehe starb, wollte er Kolumbien endgültig den Rücken kehren. ''Ich ging nach Lissabon, um dort meine Tage zu beschließen. Nach Deutschland wollte ich nicht mehr. Deutschland fühle ich mich nicht mehr gewachsen.'' Doch schon nach wenigen Monaten war er wieder zurück in Bogotá. Sein Heimweh war zu groß. Im März dieses Jahres eröffnete er schließlich seine dritte Buchhandlung. Zu seinen heutigen Favoriten zählen Lateinamerikaner, vor allem Suetonio, der im Alter von 37 Jahren bei einem Autounfall in Madrid gestorben ist und sich mit expressionistischen und ''wilden'' Werken zu profilieren versucht hatte.
Kann man in Lateinamerika überhaupt noch von dem Verkauf von Büchern leben? Buchholz blättert in einem antiquarischen Band von André Gide (mit dem er befreundet war) und sagt mit leichter Bitterkeit: ''Ich habe diese Bücher immer angeschafft, weil ich meine, daß sie wichtig sind und in der Hoffnung, daß es Leser gibt. Aber das Fernsehen hat aus den Menschen wieder Analphabeten gemacht. Und die meisten Deutschen hier in Kolumbien trinken lieber Whisky auf Cocktailpartys, anstatt zu lesen.''

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Cicero
Februar 2010
Guantánamo schließen - jetzt erst recht
© Volker Skierka
Die Reise ins Jenseits der Demokratie führte mich im Januar 2004 mitten hinein in eine militärische Version der „Truman Show“, jener Filmsatire von Peter Weir, in der ein ahnungsloser und gutgläubiger Kleinbürger zum Opfer einer Heile-Welt-Fernsehshow wird. In meinem Fall war das Pentagon der Regisseur der „Show“, die freilich keine Satire war, sondern blutiger Ernst. Schauplatz war der US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba [...]
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
9./10. August 2008
Kuba wartet auf seine Zukunft
Keine Aufbruchstimmung trotz angekündigter Veränderungen
Von Volker Skierka
Seit Raúl Castro vor zwei Jahren von seinem Bruder Fidel die Macht übernahm, sind in Kuba manche Veränderungen angekündigt und eingeleitet worden. Das Hauptproblem liegt in der Landwirtschaft, die dringend angekurbelt werden muss. Obwohl Kritik offener ausgedrückt wird, ist in der Bevölkerung keine Aufbruchstimmung spürbar.

Kuba wartet. Auf den Überlandbus, der selten kommt. Auf den alten sowjetischen Lastwagen, der mit einigen Dutzend Mitfahrern auf der Ladefläche über Strassen voller Schlaglöcher rumpelt. Auf den ausländischen Touristen mit dem komfortablen Mietwagen, bei dem ein Einheimischer sogar umsonst mitfahren kann. Oder einfach nur auf die einspännige und bunt geschmückte Pferdekutsche, die gemütlich durch den Ort trabt und Eilige ausbremst. Fröhlich und freundlich, hoffnungsvoll und optimistisch, mitunter auch erschöpft, resigniert und erloschen wartet ein ganzes Volk mit scheinbar grenzenloser Geduld jeden Tag in langen Schlangen und dicken Menschentrauben an den Strassenrändern und Weggabelungen darauf, irgendwohin mitgenommen zu werden, zur Arbeit, zu Verwandten, in die nächste Stadt – oder in ein anderes Leben... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
13. Dezember 2008
Die Freiheit des anderen
Exilkubaner gegen Kuba – ein Terrorkampf seit Jahrzehnten. Mit Barack Obama kommt nun auch die Hoffnung auf Besserung
Von Volker Skierka
Sie werden die „Osama bin Ladens des Westens“ genannt. Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zählen zu den gefährlichsten Terroristen der Welt. Unter den Veteranen von ihnen mitbegründeter exilkubanischer Terrornetzwerke wie „Alpha 66“, „Omega 7“, „CORU“, „El Condor“ und „Comando L“ genießen die beiden einen zweifelhaften Helden- und Kultstatus. In jenen Kreisen gelten sie als „gute“ Terroristen, weil sie über Jahrzehnte von Florida und Mittelamerika aus – immer wieder auch als feste wie freie Mitarbeiter der CIA – das Kuba der Brüder Fidel und Raúl Castro und von deren Freunden bekriegt haben. In die Hunderte geht die Zahl der im letzten halben Jahrhundert von ihnen und ihren Gesinnungsgenossen in zahlreichen Ländern, aber auch innerhalb der USA verübten, verantworteten oder zugeschriebenen Bombenanschläge, Attentate und Sabotageakte mit Explosiv- und biologischen Kampfstoffen sowie die Anzahl der menschlichen Kollateralschäden an Toten, Verletzten und Invaliden. [...]
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DIE ZEIT - Online
19. Februar 2008
Modell Kuba
Die neue Führung nach der Ära Castro wird wahrscheinlich reformbereit sein. Seine Machtelite jedoch wird versuchen, ihre Pfründe zu wahren
Von Von Volker Skierka
Es ist, als wäre er gestorben. Kaum jemand in der Welt konnte sich vorstellen, dass die Ära Fidel Castro anders zu Grabe getragen würde als in einem Sarg. Nun aber fand dies in Form der schlichten Mitteilung statt, er gebe seine Staatsämter auf.
Es passt irgendwie zu ihm, dass er seinen Abgang so inszeniert, dass er ihn auch noch selbst erleben darf. Aber vor allem auch, weil er so noch bestimmen kann, wer ihm folgt. Und das ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein Bruder Raúl, der als Erster Vizepräsident schon seit anderthalb Jahren die Amtsgeschäfte des kranken Máximo Líder kommissarisch wahrgenommen hat.
Wenn die 624 Abgeordneten der gerade neugewählten kubanischen Nationalversammlung wie geplant am Sonntag zusammentreten und den 31-köpfigen Staatsrat, mithin praktisch die künftige Staatsführung wählen, dann dürfte der jüngere Bruder der einzige Kandidat für die Nachfolge des Staatspräsidenten sein.
Spannend an dem Ritual wird sein, wie dieser Staatsrat sonst zusammengesetzt sein wird, wer den Ministerrat bildet. Wer also jene Leute sind, die das schwierige Erbe des großen Caudillo übernehmen... [...]
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Hamburger Abendblatt,
2. März 2007
Hamburg ist nicht der Kongo
Von Volker Skierka
Was unterscheidet Hamburg vom Kongo? Und was den kongolesischen Staatspräsidenten Generalmajor Joseph Kabila von dem Hamburger SPD-Kreisvorsitzenden und Major der Reserve Johannes Kahrs (übrigens tragen beide die gleichen Initialen J. K. im Namen)? Sehr viel. Deshalb lohnt der Vergleich. Im Kongo haben voriges Jahr Kahrs' Bundeswehr-Kameraden im Auftrag der Uno für einen recht ordentlichen Ablauf der Präsidentenwahl gesorgt. In Hamburg ist hingegen etwas passiert, was man bisher nur aus Ländern wie dem Kongo kannte: Erst hat der Kreisfürst und Bundestagsabgeordnete Kahrs - Mitglied des Männerbundes Wingolf sowie des Präsidiums des Förderkreises Deutsches Heer - einen Putsch gegen sein Parteioberhaupt Mathias Petersen inszeniert.
Dann, als das Opfer sich nicht so einfach meucheln ließ, half eine manipulierte Wahl nach. Deren Ausgang erfüllte schließlich das Ziel: Der Kopf ist ab... [...]
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Der Tagesspiegel
5. August 2006
Revolutionär von der traurigen Gestalt
Fidel Castros Abschied von der Macht: Die Götterdämmerung hat längst eingesetzt. Und was kommt dann?
© Volker Skierka
Auf dem Sterbelager diktiert der große Freiheitskämpfer eine bittere Erkenntnis in sein Testament: „Wer sich der Revolution verschreibt, pflügt das Meer“, sagt er und prophezeit: „Dieses Land wird unweigerlich in die Hände einer enthemmten Masse geraten, um dann an verkappte kleine Tyrannen aller Farben und Rassen zu fallen.“ Diese letzten Worte von Simón Bolívar (1783-1830), dem Befreier Südamerikas von der spanischen Krone, finden sich in dem Roman „Der General in seinem Labyrinth“ von Gabriel García Márquez. Bei der Lektüre drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor aber nicht nur Simón Bolívar, sondern auch seinen langjährigen Freund, den kubanischen Staatschef Fidel Castro vor Augen hatte.

Der ist so schwer erkrankt, dass er Anfang der Woche vor einer bedrohlichen Darmoperation die Macht „vorübergehend“ an seinen Bruder Raúl übertrug. Höhepunkt eines in den letzten Jahren zunehmend sichtbareren gesundheitlichen Verfalls des Máximo Líder. Damit stellen sich die Fragen nach der Zukunft der Tropeninsel drängender denn je zuvor... [...]
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B26 Europa/Lateinamerika
Feb. 2006
Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft, Politik/ Revista de Cultura, Economía, Política
Mit Castros Tod kann die Repression auf Kuba zunehmen
Interview mit Volker Skierka
Von Guillem Sans
(Para la version espagnola: click Menü / Texte / Archiv)

Auszug:

Wie sehen Sie die Zukunft des Landes nach dem Tod des Máximo Líder?
Ich bin sehr besorgt über die Aussichten. Die amerikanische Politik ist bekannt. Mit Bush hat sich das Verhältnis eher noch verschärft. Andererseits hat man einen kleinen Spalt im Helms-Burton-Gesetz geöffnet. Unter dem Label „humanitäre Hilfe” sind seit Jahren enorme Lebensmittellieferungen nach Kuba möglich. Es ist so, dass die Kubaner jedes Jahr mittlerweile für zwischen 400 und 500 Millionen Dollar Lebensmittel gegen Barzahlung in den USA einkaufen. Das ist das Resultat einer unermüdlichen Lobbyarbeit der – eher republikanisch orientierten – amerikanischen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie – zum Ärger der Europäer.

Was können europäische Diplomaten tun?
Die Beziehungen zu Europa sind praktisch komplett eingefroren. Es gibt weder ein amerikanisches noch ein bekanntes europäisches Konzept für das postcastristiche Kuba. Das einzige, was man von offizieller kubanischer Seite weiß, ist, dass Raúl Castro, der fünf Jahre jüngere Bruder, die Nachfolge antreten soll, und zwar nicht als Einzelherrscher, sondern als primus inter pares. Aber Fidel Castro greift neuerdings auch jenes Wirtschaftskonzept an, mit dem Kuba in den letzten zehn Jahren eigentlich ganz gut gefahren ist. So liegt jetzt alles wieder im Dunkeln.

Wie schätzen Sie den Strategiewechsel der Europäer ein?
Die Europäer haben ja den Versuch gemacht, und zwar ausgehend von Spanien, im vorigen Frühjahr die Frostperiode zu beenden, indem sie Lockerungen in den Beziehungen in Aussicht gestellt haben. Und als man nach einigen Vorsondierungen glaubte, jetzt käme man mit den Kubanern auf offizieller Ebene wieder ins Gespräch, hat Castro das ja brüsk unterbunden. Er hat sich sogar darüber lustig gemacht, die Regierung Zapateros in Spanien düpiert und gesagt, er brauche weder Europa noch die USA. Das mag für ihn gelten, aber wie soll es nach ihm für die Kubaner weitergehen? Er sollte froh sein, dass die Europäische Union sich um Kuba mehr zu sorgen scheint als die USA, die nur das Geschäft sehen.

Stillstand also...
…und Rückschritt: für das kubanische Volk eine desaströse Situation. ... [...]
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Der Tagesspiegel
27.02.2005
Guantánamo III
Stacheldraht im Kopf
In Guantánamo sitzen zurzeit 550 Häftlinge: ein rechtsfreier Raum, ein Desaster für die Demokratie. Und alle reden von Bushs Charme-Offensive
© Volker Skierka
Im Jahr 1874 meldete der Farmer J.F. Glidden aus Illinois eine Erfindung zum Patent an, welches die Tier- und später auch die Menschenhaltung revolutionieren sollte: den Stacheldraht. Seither erobert der mit spitzen Zacken versehene gezwirbelte Draht die Welt. Was ursprünglich dafür gedacht war, große Viehherden zusammenzuhalten, ist heute eine der effizientesten – und preiswertesten – Defensivwaffen der Menschheit.

Seine harmloseste Verwendung findet der Stacheldraht bei der Abwehr von Einbrechern, sein grausamster Einsatz spiegelt sich in den Bildern der Kriegsfotografie und denen der Konzentrationslagern der Nationalsozialisten – als Umzäunung von Gefangenenlagern und tödlichen Minenfeldern. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte er als Eiserner Vorhang Ideologien und Völker, in Sechzigern Polizisten von Demonstranten und bis heute weltweit Militärkasernen, staatliche Einrichtungen und Amtsträger vor verdächtigen Bürgern. Seit den Terroranschlägen vom 11. September hat es den Anschein, als werde der ganze Erdball allmählich eine Stacheldrahtkugel, der Reisefreiheit und den offenen Grenzen in der globalisierten Welt zum Trotz. Die fortschreitende Vernetzung der Bürger geht einher mit einem Verlust ihrer Bewegungsfreiheit... [...]
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DER TAGESSPIEGEL, Dritte Seite
26.01.2004
Guantánamo II
Wo endet das Recht?
Hunderte von „Terroristen“ sitzen in einem US-Lager weitab von der Welt – ein Besuch in Guantanamo Bay auf Kuba
© Volker Skierka
Die Farbe Orange. Seit dem 11. September 2001 steht sie in Amerika für den Verlust von Freiheit. Als Synonym für ein Leben in ständiger Bedrohung. Bei Terroralarm der Stufe „Code Orange“ droht überall Gefahr. Und Reisen in den Zeiten von „Code Orange“ bedeutet: Jeder ist verdächtig. Doch als der Autor an einem Januarmorgen im Marinestützpunkt Jacksonville in Florida sein Ticket mit der Nummer „VS206804PRC000“ in die Hand gedrückt bekommt, weiß er, dass er keine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt. Schon vor Wochen musste sich sein Name auf eine Odyssee durch die Computer des Pentagon sowie der US-Sicherheits- und Geheimdienste begeben, ehe er die Erlaubnis erhielt, auf dem Militärflug BLM3 mitreisen zu dürfen. „Allein neun Tage dauerte es, bis Ihre FBI-Überprüfung vorlag“, wird ihm später jemand verraten. „Checked and cleared“, und „embedded“ in die von ihm unterschriebenen Verhaltensregeln der Public-Relations-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums ist er schließlich unterwegs an ein für gewöhnliche Reisende verbotenes Ziel... [...]
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DER TAGESSPIEGEL
22.04.2002
Guantanamo I
Was tun die Yankees auf Kuba?
© Volker Skierka
Das knusprig-braune und fettglänzende Brathuhn, das der kubanische Kellner serviert, weckt nostalgische Erinnerungen an den legendären Gold-Broiler zu DDR-Zeiten. Um so mehr, weil der Blick vom Mittagstisch direkt auf eine Grenzanlage fällt, die dem „antifaschistischen Schutzwall“ ähnelt, welcher einst die Erde in ideologisch verfeindete Hälften dividierte. Minenfelder, Panzersperren, Stacheldrahtverhaue, Bunker, elektronische Sicherungsanlagen, Patrouillenwege, Wachtürme sind von dem über 400 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt „Los Malónes“ aus zu sehen. Dazwischen ein einsamer Grenzübergang, überragt von zwei Fahnenmasten. An dem diesseits flattert die kubanische Flagge, an jenem drüben die der Vereinigten Staaten von Amerika. „Drüben“, das ist der US-Flottenstützpunkt Guantánamo. Er ist 117,5 Quadratkilometer groß und liegt auf kubanischem Territorium. Uncle Sam, Fidel Castros Klassenfeind, hat ihn sich vor 99 Jahren angeeignet. [...]
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